Stauf´s Kolumne Juni 2015

Kolumne

Das pflichtgemäße Begehen der diesjährigen runden Gedenktage anlässlich der Beendigung des Zweiten Weltkriegs auf dem europäischen Kontinent ist nun Geschichte. „The same procedure …“ dann wieder im nächsten Jahr.  Völlig vergessen, obwohl wir von 1964 bis 1975 tagtäglich im Fernsehen damit quasi bombardiert wurden, ist der Vietnamkrieg, dessen Beginn die USA im Golf von Tonkin provozierten und an dessen Ende am 30. April 1975 nordvietnamesische Panzer in Saigon in den Hof des Präsidentenpalast stürmten und die Republik Vietnam zur Aufgabe zwangen. Tags zuvor wurden noch sämtliche in der Stadt befindlichen Amerikaner über das Dach der US-Botschaft mittels Helikoptern evakuiert, die Bevölkerung aber ihrem Schicksal überlassen. Was dann nach dem 30. April 1975 folgte – dieser Tag wird seit dem in Vietnam als „Befreiungstag“ angesehen und gefeiert –  , war eine grausame Rache der Sieger über die Besiegten, obwohl von Verbrüderung  gesprochen wurde. Von Arbeits- und Umerziehungslager, von Auseinanderreißen von Familien, von Spitzeleien im Stile von Stalin, Ulbricht und Honecker usw.,  können viele hier lebende Vietnamesen berichten, die es damals in ihrer Heimat nicht mehr ausgehalten haben und in kleinen, kaum hochseefähigen Booten ihr Land unter Lebensgefahr verlassen haben. Viele wurden gerettet und fanden letztlich Aufnahme bei uns, in Frankreich und vor allem auch in den USA.  Aber wie viele schafften es nicht und wurden von der vietnamesischen Küstenwache entdeckt und langjährig interniert, ertranken auf hoher See oder wurden Opfer thailändischer Piraten? Angesichts der immer drängenderen Fragen in Bezug auf die Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, angesichts unverkennbarer Parallelen zu den früheren Vietnamflüchtlingen sollten wir den Blick zur Lösung der humanitären Problemen viel mehr nach vorne richten, anstatt uns jahrein, jahraus in gewohnter Manier der längst vergangenen Vergangenheit, aus der wir gelernt haben, zu widmen. Getretener Quark wird bekanntlich breit, nicht stark. Herzlichst IHR Ulrich Stauf

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